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Kriegskinder und Kriegsenkel

Transgenerationale Weitergabe von Trauma an Kinder, Enkel, und Urenkel

Es ist einfacher anhand von Geschichten, Gesichtern, Menschen zu verstehen wie psychologische Zusammmenhänge sind, wie es zur Ausformung ungewöhnlicher Verhaltensweisen kommt.

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Deshalb habe ich beispielhaft auf einem weiteren Instagram Account Ausschnitte der Geschichten von Zwangsarbeitern festgehalten, die während des zweiten Weltkriegs in einem Arbeitslager in Berlin-Schöneweide gefangen gehalten wurden.

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Gemeinsam ist diesen Menschen, daß diese Gefangenen, unter den monströsen Bedingungen und der wahnsinnigen Behandlung, welche Ihnen die Nazis angedeihen ließen, Verhaltensweisen ausbildeten bzw. ausbilden mußten, die unter diesen Bedingungen ihr Überleben sicherten, welche unter „normalen“ Lebensbedingungen jedoch als eine psychische Krankheit gelten können.


In vielen Lagern erhielten die Gefangenen z. B. zwar regelmässige Mahlzeiten, aber diese enthielten keine Nährstoffe, so daß die Menschen obwohl sie regelmäßig aßen, „auf unerklärliche Weise“ abmagerten.


Küchenpersonal hatte von Ärzten Anweisung Gemüse studenlang zu kochen, so daß alle Vitamine unter der Hitze zerfallen würden und das „Essen“ so wenig nahrhaft wie möglich sein möge, um den verhaßten „Untermenschen“, die man als überflüssig und „unwertes Leben“ ansah so viel wie möglich zu schaden, während man jedoch weiterhin ihre Arbeitskraft ausnutzte. Perverser Weise arbeiteten viele in der Rüstungsindustrie, wo man sie zwang am Bau von Bomben mitzuwirken, welche dann auf ihre eigenen Landsleute abgeworfen werden würden.

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Bezüglich der Abmagerung wurde den Menschen eingeredet, sie seien krank und nicht belastbar. Eine zusätzliche psychologische Manipulation, die als „Gaslighting“ bezeichnet wird und deren Zweck es ist den inneren Kern eines Menschen zu zerstören: Core Trauma „herzustellen“ und das Selbst, die gesunde Identität zu zerstören und mit dem ‚Glauben‘ „ich bin falsch, so wie ich bin“ / „mit mir stimmt etwas nicht“ zu ersetzen.

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Schwerste psychische Gewalt. Schwarze Pädagogik.

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Maria Kawecka, magerte auf 28kg ab nach nur 3 Monaten Aufenthalt im Lager in Berlin-Schöneweide.

Außerdem bestand für die Zwangsarbeiter Kontak- und Redeverbot zu anderen Menschen. Bei Verstoß drohte die Todesstrafe.

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Vorgeschriebene Selbstisolation also.


Wie unangenehm Selbstisolation ist konnte man jüngst in der Gegenwart erfahren als „social distancing“ angesagt war.

So bekommt man ansatzweise eine Idee davon, um wieviel schlimmer die Zwangsarbeiter sich gefühlt haben mögen.

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Sich in das, was eine andere Generation erlitten hat, hineinversetzen zu können, unter zu Hilfenahme aktueller Bezugspunkte aus dem eigenen Leben, die wenn auch nur entfernt, jedoch ähnlich sind, ist ein hilfreiches Mittel um Empathie und Verständnis für diese Generation der Kriegstraumatisierten ZwangsarbeiterInnen aufzubringen, um sich einzufühlen.

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Letztendlich ist dies auch der Beginn von mehr Empathie und Mitgefühl für sich selbst, für die eigene Generation.


Warum?

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Weil die erlittenen Kriegstraumata über transgenerationale Weitergabe an Kinder und Enkel dieser Familien weitergegeben wurden und immer noch werden.

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Dies geschah und geschieht immer noch über eine Mischung aus genetischer Disposition, die vererbt wird (eine Hungersnot aushalten z. B. verändert Abschnitte der DNA. Diese werden mit dieser Veränderung weitervererbt. Nachkommen haben einer höhere Prädisposition zu Eßstörungen und haben auch erlernte Verhaltensweisen, durch Beobachtungslernen: Übernehmen von toxischen Glaubenssätzen.)

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Ein wichtiger Begriff in diesem Zusammmenhang ist das sogenannte „tunneling“.


Es meint die Unbewußte Übernahme von Verhaltensmustern und „Regeln“ über minimalste Cues in Mimik und Gestik.

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Kinder solcher Haushalte lernen, sich innerhalb eines Gewirrs von seltsamen „Regeln“, die wie unsichtbare Stolperdrähte das Familienleben durchziehen, zu bewegen; sich an abstruseste Regeln zu halten.

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Zum Beispiel sich soweit vom eigenen Körper psychisch zu trennen, daß getrunken wird, anstatt zu essen, weil man den Unterschied zwischen „hungrig“ und „durstig“ nicht fühlen kann.

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Erlernt von der Großeltern- oder Urgroßelterngeneration in einem Lager, in dem man sie hungern ließ – erlernt um dort überleben zu können.


Bei vielen Kriegstraumatisierten hinterließen diese Erfahrungen eine bleibende Verhaltensänderung durch „sich taub“-Stellen für die Regungen des eigenen Körpers.

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In dieselbe Kategorie dieses sich „dumpf“ oder „taub“-Stellens fallen auch Geschichten von Soldaten, oder schlesischen Flüchtlingen, die mit gebrochenen Zehen kilometerweit gelaufen sind um zu überleben und später in den 1950er und 1960er Jahren noch so abgetrennt vom eigenen Körper waren, daß sie nicht fühlen konnten, wenn etwas mit ihrem Körper nicht stimmte, so daß keine notwendigen Zahnartzbesuche stattfanden, da der Schmerz nicht gefühlt wurde, oder harmlose kleine Zipperlein, die ein Allgemeinmediziner leicht hätte behandeln können, jahrelang verschleppt wurden, bis sich daraus andere, schlimmere, chronische Krankheitsbilder gebildet hatten.


Ein nicht unbeträchtlicher Kostenfaktor fürs Gesundheitssystem und – leider – ein ganz schlechtes Vorbild für die Kinder- und Enkelgenerationen.

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Das erzwungene Unterdrücken elementarster Regungen, wie Schmerzempfinden, Hunger, Durst führt zu „Kompartmentalisation“ – einer besonderen Verarbeitung der Realität über rein logische Kategorisierungen.


Analytisch – ohne Gefühl.

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Kompartmentalisation führt zu Depression.

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Kompartmentalisation kann man sich vorstellen wie das Kategorisieren über hashtags und keywords. Reine Information, kein Gefühl.


Graphisch darstellen lassen sich solche Keyword-Clouds selbstverständlich auch in 3 D Spidergraphs, Punktewolken uvm. – dennoch bilden sie nur die reine Informationsebene ab, kein Gefühl. Auch dann nicht wenn Worte, die Gefühle beschreiben, als hashtags genutzt werden.

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Selbstverletzendes Verhalten wie das Ritzen, Nägelkauen oder die stärkere Form, in der Menschen sich kleinste Hautstücken aus Fingern, Händen und Armen beißen kann seinen Ursprung haben in tramatischen Erfahrungen, die die Vorfahren zum Beispiel in deuschen Zwangsarbeitslagern während des zweiten Weltkriegs gemacht haben.

Oftmals fügten sich die Gefangenen in den Lagern selbst Verletzungen zu um dem schlimmsten Terror zu entkommen und in eine Krankenstation verlegt zu werden, so zum Beispiel der Niederländer Theo de Jooden – dessen Geschichte habe ich auch hier in meinem Blog festgehalten:

Theo hatte es gewagt, in einer Nacht, in der die Fabrik, in der er Zwangsarbeit verrichtete, durch einen Bombenangriff fast stillstand, sich schlafen zu legen.

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Dafür wurde er mit 2 Monaten Gestapo-Arbeitslager in Berlin-Wuhlheide bestraft.

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Er fügte sich selbst Verletzungen zu, um dem Lager entkommen zu können, auf die Krankenstation.

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Wenn Du unter „unerklärlichen“ Schlafstörungen leidest und abgesehen vom ganz „normalen“ Lebensstress, nichts ungewöhnliches anliegt, kann es Sinn machen Biographiearbeit zu machen, und in der Lebensgeschichte von Vorfahren und Ahnen Erklärungen zu finden.

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Kriegstraumatisierungen werden von Generation zu Generation weitergegeben, solange bis einer psychische Kraft genug hat, die Aufarbeitung und Lösung der Verwicklungen zu erreichen.

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Schlafprobleme, Eßstörungen, Selbstverletzendes Verhalten, Süchte (auch Arbeitssucht oder Sportsucht) haben oft ihren Ursprung im Kriegstrauma der Vorfahren.

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Körperlich leistungsfähig zu sein, bedeutete damals am Überleben bleiben zu können und nicht womöglich noch in der Krankenstation für medizinische Versuche herhalten zu müssen.

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Aus dieser Erfahrung resultiert in der Kinder- und Enkelgeneration Betroffener Menschen, die solche Arbeitslager durchlaufen haben, oft das Verhaltensmuster bzw. der Glaubenssatz des Ableism – eine verrückte Verinnerlichung des Nationalsozialistischen Gedankengutes darüber was „wertes“ und „unwertes“ Leben sei, übertriebener Fitnesswahn, getrieben von der Angst, um Gottes Willen nur bloß nicht von anderen als schwach und verletzlich und damit als – vermeintlich, wohlgemerkt! – „unwert“ angesehen zu werden.

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Weiß man einmal was dem eigenen „unerklärlichen“ Verhalten zugrunde liegt, ist man von einem großen Schuldkomplex befreit, den die meisten Nachfahren dieser Betroffenen haben.


Der Schuldkomplex irgendwie „nicht gut genug“ oder „falsch“ zu sein.

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Dadurch, daß man die eigene Familiengeschichte rekonstruieren kann und erst einmal eine Erklärung hat, entledigt man sich des „Schuldrucksacks“ den man jahrelang getragen hat, stellt ihn ab, oder gibt ihn vielleicht sogar in einer Meditation der Person zurück, zu der er tatsächlich gehört.  

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Man fühlt sich erleichtert!

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Und darum geht es, daß der weitere Teil der Reise, der eigenen Lebensreise leichter wird, als die schwere Vergangenheit.

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Eine Schwierigkeit stellt oft dar, daß in betroffenen Familien aus Scham über das Erlebte gemauert oder gelogen wird, oder dass auch bei intensiver Ahnenforschung kaum oder gar keine Dokumente zu finden sind.

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Es gibt jedoch eine Möglichkeit unter Anleitung in Gruppen gemeinsam blinde Flecke in der eigenen Familiengeschichte mit Wissen zu füllen.

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Frauen machen diese Arbeit am besten in Frauengruppen, Männer in Männergruppen.

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Wenn es Dich interessiert, an einer solchen Gruppe teilzunehmen, dann schreib mir eine Nachricht mit Deinem Namen und Deiner Emailadresse an: alexandramaus.de@gmail.com.

Ich setzte Dich dann auf die Kontaktliste und schreibe Dir, wenn die nächste Gruppensitzung stattfindet. Idealerweise sind wir nicht mehr als 10 Frauen.

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Fotonachweis: bpk, Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte in Berlin

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